K -News vom 07.08.2001 |
Polymere Anwendungen im Maschinen- und Apparatebau
Ursprünglich mal als Surrogat für das teuer und knapp gewordene Elfenbein, für den wie rares Edelmetall gehandelten Kautschuk oder für Naturfasern gedacht, haben sich die Kunststoffe vor allem in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zu einer eigenen und vielseitig genutzten Werkstoffklasse gemau-sert. Etwa 160 Millionen Tonnen davon wurden 1999 weltweit produziert und zum großen Teil auch verarbeitet. Von den Vorteilen der polymeren Materie profitieren die Hersteller von Verpackungen, Kraftfahrzeugen und Baubedarf, die Elektro- und Elektronikindustrie sowie zunehmend auch der Maschinen- und Apparatebau. Beispiele dafür bietet einmal mehr die K 2001, die 15. Internationale Messe Kunststoff + Kautschuk, die vom 25.10. bis 1.11. des Jahres in Düsseldorf stattfindet. Unter den dort gezeigten Exponaten werden sich überzeugende Belege dafür finden lassen, dass Kunststoffe im Vergleich zu den konventionellen Metallen oft die überzeugendere Alternative sind. Es ist vor allem die spezifische Leichtigkeit ihres Seins, doch ebenfalls die sehr gute Beständigkeit gegenüber mechanischen und chemischen Beanspruchungen, die den Kunststoffen zu einem vorderen Platz auf der Werkstoffpalette im Maschinen- und Anlagenbau verhalfen. Die Bandbreite ihrer Einsatzmöglichkeiten beschränkt sich dabei durchaus nicht auf Unterlegscheiben, Dichtungsringe, Schrauben und ähnliche Kleinteile. Mit ihrer Kombination aus zähharten Eigenschaften, gutem Dämpfungsverhalten und hoher Verschleißfestigkeit sind moderne Hochleistungs-Polymere beispielsweise in der Antriebs- und Fördertechnik erste Wahl. Hier überzeugen sie gegenüber dem rund 8-mal so schweren Stahl neben dem geringen Gewicht durch Geräuscharmut, ausgezeichneter Trockenlauffähigkeit und weiteren Tugenden. Sicher gehören die Kunststoffe nicht zu den bevorzugten Werkstoffen, wenn es im Maschinenbau um die Basiskonstruktionen geht. Ungeeignet sind sie in der Regel also für Maschinenbetten, Rahmen, Gestelle oder tragende Konstruktionen überhaupt. Eine Ausnahme sind hier Maschinenfundamente aus so genanntem Polymerbeton. Dabei handelt es sich um eine in Formen gegossene Mischung aus Sand, Steine, Kies, Quarzmehl etc. in einer Matrix aus überwiegend Polyesterharz, die nach dem Erstarren über ausgezeichnete Festigkeitswerte verfügt. Doch die wahre Domäne der Kunststoffe in diesem Bereich liegt auf den Maschinenelementen. Verwendung finden sie als Rohre, Absperrorgane, Gleit- und Verschleißteile, für Lager, Zahnräder oder auch Förderketten. Das Spektrum kann vom Kleinlüfter in einem E-lektrowerkzeug bis hin zum groß dimensionierten Ventilator von Rückkühlanlagen, vom winzigen Mini-Gleitlager bis hin zu großkalibrigen Gleitkufen in Walzwerken reichen, vom Gehäuse für die Handbohrmaschine bis zu 3o Meter hohen Waschtürmen von Rauchgas- und Entschwefelungsanlagen. Pumpen pumpen länger und leiser Seit mehr als einem halben Jahrhundert bereits werden z.B. Pumpen aus Kunststoff gefertigt. So berichtet die Fachzeitschrift ”Industrie Anzeiger” aus dem Konradin-Verlag, dass in erster Linie die umfassende chemische Resistenz gegenüber Säuren, Laugen und Salzlösungen im pH-Bereich von 0...14 sowie das gute Verschleißverhalten gegen-über abrasiven Flüssigkeiten dazu beigetragen haben, dass Kunststoffpumpen heute in vielen Branchen einen festen Platz einnehmen - und das bei steigender Tendenz. Für diese Entwicklung sei nicht zuletzt der Preisvorteil im direkten Vergleich zur Metallpumpe aus-schlaggebend: sowohl im Hinblick auf die Investition als auch Unterhalt, bezogen auf Lebensdauer, Wartung und Instandhaltung. Vorteile, wie sie die Kunststoffe in der Gegenüberstellung zum metallischen Wettbewerb bieten, können chemischer, elektrischer oder auch mechanischer Natur sein. Pluspunkte chemischer Art sind u.a. die Korrosionsbeständigkeit gegenüber Metallsalzen, Säuren und Laugen. Die Vorteile elektrischen Ursprungs resultieren aus dem Umstand, dass Kunststoffe in der Regel Nichtleiter sind und damit keine vagabundierenden Ströme auftreten. Zu den Vorzügen auf mechanischer Basis schließlich zählt das geringe Gewicht der Kunststoffe im Vergleich zu den Metallen. Außerdem das sehr gute Abrieb- und Verschleißverhalten vieler Kunststoffe, das bei richtigem konstruktiven Konzept für lange Standzeiten von Pumpen und entsprechenden Bauteilen sorgt. Hatte die Entwicklung von Kunststoffpumpen nach Darstellung von Bruno Auchter, langjähriger Entwicklungsleiter einer Wiesbadener Pumpenfabrik, anfangs zum Ziel, metallische oder ausgekleidete Pumpen zu ersetzen, so orientiere man sich heute an den spezifischen Eigenschaften der unterschiedlichen Kunststoffe. Das führte in vielen Fällen zu Konstruktionen, die denen der Metallpumpe ebenbürtig oder sogar überlegen sind. Neuartige polymere Werkstoffe mit optimierten Eigenschaftsprofilen haben dazu wesentlich beigetragen. So tauchten in der Folge und nach Markteinführung des hochmolekularen Niederdruck-Polyethylens (LDPE) Mitte der 60er Jahre eine ganze Reihe für die Konzeption von Pumpen geeigneter Kunststoffe auf. Doch die Zukunft dürfte nach Überzeugung des Diplom-Ingenieurs noch für einige Überraschungen gut sein. Jüngere Kreationen wie z.B. PFA (Perfluoro-Alkoxyalkan) versprechen für Pumpen verbesserte Laufräder, die mit hoher Oberflächengüte aufwarten und bei höheren Temperaturen eingesetzt werden können. Welchen Kunststoff für welchen Einsatz? Der britische Pumpenfabrikant Northern Pumps entdeckte PEEK (Polyetheretherketon) als geeigneten Werkstoff für seine Konstruktionen. Auf der Suche nach einer Substitution für nichtrostenden Stahl im Getriebe der Pumpen-Baureihe ”Dura” stieß das Unternehmen auf ”Victrex PEEK”. Wie der hiesige Anbieter des Materials, die Victrex Europa GmbH, Hofheim, dazu ausführt, vereine PEEK eine hervorragende Chemikalien-, Korrosions- und Abriebfestigkeit mit einer nur geringen Feuchtigkeitsaufnahme. Nach den bisher vorliegenden Erfahrungen von Northern Pumps können die Pumpen der ”Dura”-Serie jetzt flüssige Medien in einem ungleich breiteren pH-Bereich fördern als das bis dato mit traditionellen Werkstoffen möglich war. So ist PEEK, eine Weiterentwicklung der Polyethersulfone (PES), mit seiner hohen chemischen Beständigkeit, einer Dauergebrauchstemperatur von über 250 °C und dem ausgezeichneten Eigenschaftsniveau sicher nicht nur für Pumpen, sondern generell für den Maschinenbau interessant. Bleibt dennoch grundsätzlich die Frage, welchen Kunststoff wählt man für eine konkreten Bedarfsfall? Das Angebot ist inzwischen vielfältig und verwirrend; und nicht jede polymere Offerte wird mit ihrer spezifischen Charakteristik dem jeweiligen Anforderungskatalog gerecht. Pauschale Empfehlungen sind nur begrenzt verbindlich, da es sich oft um bisher unbekannte Applikationen handelt, so dass praxisgerechte Umsetzungen und damit Erfahrungen fehlen. Hier können Kurzzeitversuche und systematische Screeningmethoden zur größeren Sicherheit beitragen. Weiteren Aufschluss bringen Funktionstests, realitätsnahe Langzeitprüfungen sowie Wechselbelastungen unter verschärften Umgebungskonditionen. Als zweckmäßig hat sich auch erwiesen, auf der Grundlage von FEM-Analysen (FEM steht für Finite Elelement Methode) die Belastungsspitzen des Kunststoffs durch konstruktive Änderungen zu reduzieren. In dem vom Vogel Buchverlag, Würzburg, herausgegebenen ”Kunststoff-Kompendium” werden z.B. für die Herstellung von Zahnrädern Kunststoffe wie Polyacetalharz (POM), Polyamid (PA) oder auch Po-lyethylen (PE) vorgeschlagen, ebenfalls für Kugellager und Lager überhaupt, wobei dort Kunststoffe hochmolekularer oder vernetzter Sortierung favorisiert werden. Die Werkstofffestigkeiten der Kunststoffe liegen hier zwar geringfügig unter denen der Metalle, dafür aber verfügen die makromolekularen Alternativen über ein günstiges Abriebverhalten, gute Gleiteigenschaften bei Trockenlauf sowie hohe Korrosionsfestigkeit. Sie bieten darüber hinaus eine sehr gute innere Dämpfung sowie Geräuscharmut. Kommt hinzu, dass die Fertigungskosten vor allem in der Massenfertigung niedriger ausfallen. Aus Harz und Faser entstehen Gehäuse Im Apparatebau werden vorzugsweise glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK) eingesetzt. Aus diesem armierten Harzverbund entstehen Gehäuse für Schaltschränke, Zisternen für Straßentankwagen, Getriebeverkleidungen oder Einschalungen bis hin zu selbsttragenden Großbauteilen wie Kühltürme, Futtermittelsilos oder auch großvolumige Behälter für die chemische Industrie und Abwassertechnik. Diese Materialien, wie sie gleichfalls im Boots und Schienenfahrzeugbau zu finden sind, haben sich seit Jahrzehnten bereits bewährt. Der Verbund aus Harzmatrix und Verstärkungsfaser bleibt bis zum Bruch nahezu elastisch. Als ideale Verstärkungskomponente erwiesen sich Glasfasern, die in hoch beanspruchten Segmenten um Aramid- oder auch Kohlefasern und in technisch weniger aufwendigen Strukturen um Naturfasern (Sisal, Flachs, Hanf) ergänzt werden. Faserverbundwerkstoffe sind jedoch nicht nur für den Apparatebau eine viel praktizierte Alternative zum herkömmlichen Gehäuseblech. Zunehmend werden sie eine viel versprechende Option in der Konstruktion komplexer, hochdynamisch belasteter Maschinenbauteile. Lagergehäuse, Kurbelwellen, Tragarme von Robotersystemen oder auch komplette Walzen gehören dazu. Durch neuartige, via Computer gesteuerte Wickeltechniken und Armierungen mit Aramid- oder Kohlefasern konnten hier mit einer Endlosfaserverstärkung und thermoplastischer Matrix ganz erstaunliche Ergebnisse erzielt werden. TSG bringt Bewegung und Erfolg Nicht nur neue und verbesserte synthetische Werkstoffe tragen zum Siegeszug der Kunststoffe im traditionell vom Metall dominierten Maschinenbau bei, auch neuartige Verarbeitungsmethoden sorgen für Bewegung und Erfolg. Ein Beispiel dafür ist das TSG-Verfahren (Thermoplast- Schaum- Guss). Mit Hilfe von TSG wird es möglich, herkömmliche Metallkomponenten durch multifunktionelle Kunststoffbauteile zu ersetzen. Christof Plocher, Vertriebsingenieur bei der Firma Fried Kunststofftechnik, Urbach, beschreibt im ”Zuliefermarkt”, einer Fachzeitschrift aus dem Hanser Verlag, München, wie diese Methode gerade in den Bereichen ”Technische Gehäuse” und ”Maschinenverkleidungen” Furore macht. Das TSG-Verfahren erfordere keine Kunststoffe mit speziellen Rezepturen. Wie beim klassischen Spritzguss kann auch hier aus der Vielfalt der auf dem Markt kursierenden Thermoplaste ausgewählt werden. Das erforderliche Treibmittel beim TSG-Prozess wird als Granulat zugegeben. Dann kann in einem Arbeitsgang ein Formteil mit kompakter geschlossener Außenhaut und geschäumten Kern entstehen. Im Schnitt sollten TSG-Artikel, die sich durch eine besonders hohe Torsionssteifigkeit auszeichnen, nach Empfehlung des Autors eine Wandstärke von mindestens 4 Millimeter aufweisen, ideal aber sind Dicken von 4...8 Millimeter. Erst ab dieser Stärke bilde sich die sandwichartige Struktur aus. Problemlos ließen sich dabei Sprünge in der Wanddicke sowie Materialanhäufungen bis zu 30 Millimeter realisieren. Kostspielige Blechbiege-Konstruktionen - so schwärmt Plocher in seinem Bericht - können durch ein einziges TSG-Teil ersetzt werden. Zur elektrostatischen Abschirmung (EMV) werden Gehäuse an der Innenseite metallisiert. Kein anderes Verfahren jedenfalls biete nach seiner Einschätzung eine vergleichbare Kombination von Design- und Gestaltungsfreiheit, bei gleichzeitiger Präzision und Reproduzierbarkeit. Und um den optischen Gesamteindruck aufzuwerten, können die per TSG erzeugten Gehäuseteile lackiert werden: mit Glatt- oder Strukturlack, Softcoating oder eventuell auch in Metallic. Als sollte als erster Eindruck bleiben, was als Metall ersetzt wurde. Doch unter der optischen Täuschung verbergen sich die Kunststoffe mit all ihren typischen Vorteilen. Text: K 2001 |
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