K -News vom 11.11.2003

Multicar-Spezialfahrzeuge GmbH nutzt neuartige Stahl-Kunststoff-Konstruktion


Die Firma Multicar Spezialfahrzeuge Gmbh in Waltershausen, Thüringen, hat für den neusten Vertreter ihrer Nutzfahrzeugserie „Multicar“ eine Fahrerhaus-Hybridkonstruktion entwickelt. Im so genannten FUMO (das steht für Funktionalität und Mobilität) ersetzt erstmals eine wesentlich leichtere und zugleich in der Produktion kostengünstigere Kunststoff-Fahrerkabine die bisherige Lösung aus Stahl. Die Fertigungsmethode: Auf einen skelettartigen Stahlrahmen, den sogenannten „Space Frame“ werden tiefgezogene Kunststoffbauteile aus Luran® S von der BASF schlicht aufgeklebt. Luran® S ist ein Kunststoff auf der Basis von ASA (Acrylat-Styrol-Acrylnitril-Copolymer) und gehört ins Spezialitäten-Sortiment der Styrolkunststoffe der BASF.



Die Allroundfahrzeuge der Multicar Spezialfahrzeuge GmbH – der bewährte M26 und der modernere FUMO – leben von ihrer Vielseitigkeit. Mit den über 100 verschiedenen Aufbauten sind sie nicht nur im Reinigungs- und Winterdienst bei Kommunen gefragt, sondern auch als Schlepper für Gepäckwagen auf Flughäfen. Das Multicar, das nun bereits auf eine 47jährige Geschichte zurückblicken kann, ist das erste Nutzfahrzeug, dessen Fahrerkabine aus einem mit thermoplastischen Kunststoffplatten beplanktem Stahlgerippe, einem sogenannten „Space Frame“ besteht. Als Werkstoff für die Kunststoffplatten entschied Multicar sich für Luran® S, einen modifizierten Styrol-Acrylnitril-Copolymer der BASF. - Foto: BASF


Neues Konzept für die Fahrerkabine

Ausgetretene Pfade verlassen, dem mittlerweile acht Jahre alten Multicar 26 ein modernes Gesicht geben und eine stattliche Anzahl technischer Neuerungen integrieren – das waren die Herausforderungen für das Entwicklungsteam bei Multicar rund um Chefkonstrukteur Matthias Cramer. Die im Vergleich zu PKWs sehr kleinen Stückzahlen waren für die Entwickler Grund genug nicht wie beim M26 ein teures neues Ganzstahlfahrerhaus zu konstruieren, sondern nach kostengünstigeren Lösungen zu suchen. Nicht einfach für ein Unternehmen wie Multicar, das in der Verarbeitung von Stahl geübt war. Zugute kam den Thüringern das Know how der Firma Dornier, die für den Unimog UX 100 bereits ein Fahrerhaus aus kohlefaserverstärkten Kunststoffen fertigte. Gemeinsam mit der Dornier-Tochter ACE, die Kunststofftechnik für den Fahrzeugbau entwickelte, entwarfen die Entwickler aus Waltershausen für den Fumo ein neues Konzept für die Fahrerkabine. Nach rund zwei Jahren stand 1997 der erste Prototyp aus einem Stahlgerüst beklebt mit einer Kunststoffbeplankung.

„Wir haben die Alternative aus Kunststoff gesucht, die vom Ausdehnungskoeffizienten und von der Verarbeitungstechnik am besten zum Stahlrahmen passt“, erklärt Matthias Cramer. Gleichzeitig sollte das Material besonders schlagzäh und temperaturbeständig sein, um den besonderen Anforderungen an das Fahrzeug zu entsprechen. „Nach ein paar Testreihen sind wir dann bei Luran® S gelandet,“ so Cramer. Die im Unimog verwendeten kohlefaserverstärkten Kunststoffe erwiesen sich im Vergleich zu Luran® S als schwerer und teurer in der Herstellung.

In der Automobilindustrie ist das mit Acrylester-Kautschuk schlagzäh modifizierte Luran® S kein Unbekannter. Seit 15 Jahren setzen Hersteller den Werkstoff aufgrund seiner Witterungsbeständigkeit, seiner Alterungsstabilität und seiner hohen Chemikalienresistenz in unterschiedlichsten Anwendungen ein. Beispiele sind Außenspiegel, Kühlergitter, Heckverkleidungen und größere Abdeckungen aus dem Werkstoff.



Mittels eines eigens optimierten Klebstoffs beplankt die Multicar Spezialfahrzeuge GmbH die Stahlrahmen ihres neuen Modells, dem FUMO, mit Kunststoffplatten aus Luran® S. Um die unterschiedliche Ausdehnung der Materialien Kunststoff und Stahl auszugleichen, füllen Mitarbeiter die verbleibenden Abstände mit Fugenmasse auf. Dieses Produktionsverfahren ist wesentlich einfacher als das von Ganzstahlfahrerkabinen. Außerdem lassen sich bei dieser Technologie beschädigte Teile schneller und kostengünstiger austauschen. Die Kunststoffplatten aus Luran® S, einem modifiziertem ASA der BASF, fertigt die Firma Formtec aus Dornstetten/Schwarzwald. - Foto: BASF


Die Montage

Die Firma Formtec in Dornstetten/Schwarzwald bringt die aus Luran S gefertigten Platten im Vakuumtiefziehverfahren in die gewünschte Form. Es entstehen Dach, Fahrerhausrückwand, B-Säulenverkleidung und die Frontklappe. In der Fertigung klebt Multicar diese Teile dann mithilfe eines eigens optimierten Klebstoffs auf den Stahlrahmen.

In der Kabine kommen die bekannten Vorteile von Kunststoff zum Tragen. Mithilfe von Luran® S ist die Fahrerkabine 30 Kilogramm leichter geworden. Die erweiterten Designmöglichkeiten nutzten die Konstrukteure, um dem Fahrzeug ein für Multicar-Fahrzeuge bis dahin untypisches, runderes Aussehen zu verleihen. Im Vergleich zu den bisher zusammengeschweißten Blechprägeteilen ist die neue Fahrerkabine einfacher herzustellen, beschädigte Teile lassen sich schneller und kostengünstiger austauschen.

„Mit der Entscheidung, im Fumo auf die Space Frame Technologie zu setzen zeigt Multicar, welches Potenzial Kunststoffe in der Karosseriebeplankung haben,“ so Ursula Seeliger, Leiterin der Einheit Speciality Polymers bei den Styrol-Kunststoffen der BASF.



Neben der Frontklappe nutzt die Multicar Spezialfahrzeuge GmbH auch bei Dach, Fahrerhausrückwand und B-Säulenverkleidung ihrer kleinen Alleskönner Luran® S. Im FUMO Doppelkabiner nutzt das thüringische Unternehmen auch für die hintere Tür Luran® S. Der Kunststoff ist alterungsstabil, chemikalienresistent und erfüllt sämtliche weitere Anforderungen, die an Materialien im Nutzfahrzeugbau gestellt werden: Schlagzähigkeit, Temperatur- und Witterungsbeständigkeit und Korrosionsfreiheit. - Foto: BASF


Multicar – das Allroundfahrzeug

Wahrscheinlich kennt ihn jeder, ohne sich dessen bewusst zu sein. Über 100 verschiedene Aufbauten bieten eine große Vielfalt. Kommunen setzen den Allrounder aus Thüringen für Reinigungsdienste, im Gartenbau, oder im Winterdienst ein. Flughäfen nutzen ihn als Schlepper für Gepäckwagen, Entsorgungsdienstleister entleeren mit seiner Hilfe Container. Mit der 18m-Hubarbeitsbühne und verschiedenen Ladekränen kann das kleine Fahrzeug auch bei Aufgaben in der Bauindustrie helfen. Aktuell fertigt Multicar zwei Modelle: Der bewährte M 26 bleibt mit etwa 700 Fahrzeugen pro Jahr weiter im Sortiment, wird aber gleichzeitig durch den moderneren FUMO mit ebenfalls 700 Modellen jährlich ergänzt. Die Multicar Spezialfahrzeuge GmbH ist eine hundertprozentige Tochter der Hako-Gruppe. Das Unternehmen hat zur Zeit 240 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von etwa 50 Mio. Euro.



Für den neuen FUMO entwickelten die Konstrukteure der Multicar Spezialfahrzeuge GmbH um Entwicklungsleiter Matthias Cramer (links) eine Fahrerhaus-Hybridkonstruktion. Bei der angewendeten Space Frame-Technologie werden Kunststoffbauteile aus Luran® S, dem ASA der BASF, auf einen Stahlrahmen aufgeklebt. Mit dem thermoplastischen Kunststoff ergeben sich neue Designmöglichkeiten. Gleichzeitig ist die Fahrerkabine kostengünstiger in der Produktion und 30 kg leichter. - Foto: BASF


Kontakt: www.basf.de

 




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