K -News vom 31.03.2003

Die perfekte Achsmanschette für die Automobilindustrie


Das technisch anspruchsvollste Auto bleibt ohne Blasformteile schnell auf der Strecke: Die komplexen Kunststoffprodukte sind wichtiger Faktor der Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Langlebigkeit des Fahrzeugs. Ein gutes Beispiel ist die Achsmanschette: Die Blasformmaschinen zur Herstellung dieser Teile wurden in den vergangenen Jahren immer leistungsfähiger, um teure nachgeschaltete Arbeitsschritte möglichst zu vermeiden und damit das Produkt zu verbilligen. Aus der konventionellen „Blow and Drop“-Produktion entwickelten sich komplexe Fertigungslinien, die die Vorgaben der Autoindustrie nach kostengünstigen, aber technisch perfekten Endprodukten erfüllten. Ein Musterbeispiel dafür ist die neue SIG Kautex Extrusionsblasformmaschine BlowPac 200 HT.

Der Clou des Systems ist die Prozess-Steuerung und eine Werkzeugtechnologie, die höchsten Ansprüchen gerecht wird. Mit dieser Maschine hat Bonner SIG Kautex eine anwendungsbezogene Aufgabenstellung umgesetzt, um die Herstellung von Faltenbälgen für die Automobilindustrie zu optimieren. Profitieren wird hiervon die Achsmanschette eines neuen Offroadmodells des weltgrößten Automobilherstellers.


Diffiziles Material

Der verwendete Rohstoff Polyurethan hat seine Tücken: Das Material für die Faltenbälge ist wegen seiner niedrigen Viskosität sehr schwierig zu verarbeiten. Polyurethan verlangt nach einer behutsamen Plastifizierung und muss auch beim Handling nach der Formung mit „Samthandschuhen“ angefasst werden.

Eine sehr exakte Prozess-Steuerung ist bei diesem dünnflüssigen Material essenziell. Die Maschine zur Verarbeitung des Polyurethans ist die BlowPac 200 HT. Mit ihr gelingt es SIG Kautex, die Vorgaben des Automobilherstellers exakt zu erfüllen und perfekte Faltenbälge zu produzieren. An die Produktivität und die Artikelqualität werden höhere Anforderungen gestellt, als am Markt heute üblich ist.


Enge Toleranzen und strenge Vorgaben

Wichtige Vorgabe von DaimlerChrysler war eine enge Toleranz bei den Öffnungen von höchstens plus/minus 0,5 Millimetern. Die wesentliche Aufgabenstellung lautete: Den Artikel Faltenbalg mit zwei großen Durchmessern und gleichmäßige Wanddickenverteilung in den Falten zu fertigen und dabei den Produktionsprozess zu optimieren – das heißt, möglichst wenig Ausschuss zu produzieren und die Kosten so gering wie möglich zu halten.

SIG Kautex hat mit seiner Extrusionsblasformanlage das Rad zwar nicht neu erfunden. Dem Unternehmen gelang es jedoch, den Verarbeitungsprozess deutlich zu verbessern: Der Faltenbalg muss sich wie eine Ziehharmonika zusammendrücken lassen. Hierbei müssen alle flexiblen „Ringe“ über und unter der Schulter exakt den konstruktiven Vorgaben entsprechen. Dazu kann die Formträgerbewegungsmaschine BlowPac 200 HT mit kontinuierlicher oder diskontinuierlicher Extrusion arbeiten. Für einen sauberen Schnitt wird ein Glühbandabschneider eingesetzt. Der extrudierte Schlauch wird durch Blasdorne an beiden Enden zum Faltenbalg aufgeblasen, in die Übergabemaske übernommen und in die Nachbearbeitungsmaschine gebracht. Dort erfolgt der Schnitt des „verlorenen Kopfes“: Ein rotierendes Messer trennt die verlorenen Köpfe ab.


Verbesserungen und Innovationen

Verbesserungen im Vergleich zu herkömmlichen Blasformanlagen sind notwendig, um die strengen Vorgaben erfüllen zu können und das sensible Material richtig zu handhaben: Weil es sich bei dem Faltenbalg um ein schnell drehendes Teil handelt, müssen die Gewichts- und die Wanddickenverteilung über dem Umfang extrem gleichmäßig sein. So werden Unwuchten oder Deformationen vermieden; der Faltenbalg erhält bessere mechanische Eigenschaften.
Besonders wichtig bei der Optimierung des Systems ist die Zykluszeit der Maschine: Je schneller der Transport in die Blasstation und den Stanz-Nachbearbeitungsbereich erfolgt, desto besser. Die Blasformanlage kommt auf eine Zykluszeit von nur 30 Sekunden.

Dabei kann die Maschine mit einem Akkukopf oder alternativ einem kontinuierlich extrudierenden Einfach- oder Zweichfachkopf produzieren.

Die Prämisse des Fahrzeugherstellers DaimlerChrysler wird so perfekt umgesetzt: Die Produkte bestechen durch sehr gute Genauigkeit und sehr enge Toleranz. Die Performance des Faltenbalgs stimmt. Kleiner zusätzlicher Vorteil: Das Produkt hat weniger Gewicht als herkömmliche Faltenbälge. Durch den optimierten Fertigungsprozess werden rund zwei Prozent des Ausgangsmaterials Polyurethan eingespart.


Baukastenprinzip und Fingerspitzengefühl

Die einzelnen Maschinenteile werden modulartig aufgebaut und danach optimiert. Was sich einfach anhört, verlangt sowohl von den Maschinenkonstrukteuren wie auch dem Bedienungspersonal Fingerspitzengefühl und Erfahrung: Die Blasformanlage arbeitet mit einem Standard-Ein-Liter-Akkukopf und einem 70mm Extruder. Bei kleineren Polyurethan-Bauteilen ist auch eine kontinuierliche Extrusion möglich, d.h. der Kopf könnte zur Herstellung von zwei kleinen Faltenbälgen verwendet werden.

Aufgrund seiner niedrigen Viskosität erlaubt das Polyurethan nur eine geringe Schlauchlänge. Die Kunst besteht darin, bei dem weichen Material einen sauberen Schnitt zu erreichen. Die Niederhalter werden pneumatisch geregelt und halten die Butzen in Position, bevor die beiden Blasdorne zurückgezogen werden.

Komplex ist auch die Übergabe von der Blasform in die Maske und von dort aus der Maschine heraus. Als weitere Hürde – angesichts der diffizilen Teilegeometrie – entpuppt sich das saubere Entformen. Extreme Vorsicht ist geboten bei der Übergabe aus der Maschine wegen möglicher Deformation.

Essenziell zur Herstellung des perfekten Faltenbalgs sind also die Einstellung der Maschine und ein „gutes Auge“ der Arbeiter und Ingenieure. Die optimierten Produktionsschritte stehen in keinem Handbuch: Die SIGExperten haben sich an die besten Lösungen empirisch herangearbeitet. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Achsmanschetten, die länger leben und qualitativ deutlich besser sind als bisherige Produkte.



Foto: SIG Kautex GmbH & Co. KG


Hintergrund:
Die SIG Beverages ist ein weltweit führender Anbieter von Anlagen und Systemen zur Herstellung von technischen Teilen und Verpackungen aus Kunststoff sowie von Komplettlösungen für die Getränkeindustrie. Die seit dem 1.1.2002 formierte Division der SIG setzt sich zusammen aus der ehemaligen SIG Plastics (frühere Krupp Kunststofftechnik) und der ehemaligen SIG Simonazzi (früherer Flüssigkeitsbereich der Sasib SpA). Der SIG-Konzern erzielte mit über 7000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Geschäftsjahr 2000 einen Umsatz von rund 2 Milliarden Schweizer Franken.


Kontakt:
SIG Kautex GmbH & Co. KG
Kautexstr. 54
D-53229 Bonn
Michael Pappert
Tel.: +49 228 489 479
Fax.: +49 228 489 88 479
E-Mail:michael.pappert@sig-group.com

 




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