K -News vom 04.11.2003

Aktuelle Trends in der Spritzgießbranche: Die Chancen erkennen und konsequent nutzen


Dr. Erwin Bürkle und Dr. Dietrich Hunold von Krauss-Maffei im Gespräch über die aktuellen Trends in der Spritzgießbranche und die Chancen, dem Kostendruck mit innovativen Technologien zu begegnen.


Frage: Welche Trends zeichnen sich in der Spritzgießtechnik ab?

Bürkle: In der Automobilindustrie, aber auch in den anderen Anwendungsbranchen stehen Leichtbau, Funktionsintegration und hohe Oberflächenqualitäten im Focus. Auch in der Anlagentechnik gibt es Veränderungen. Ein Schwerpunkt liegt hier in der wachsenden Systemintegration. Die Spritzgießmaschine wird bei vielen Verarbeitern zum Teil einer Fertigungszelle, zu der Automations- und andere Peripherieeinrichtungen gehören. Außerdem steigen die Ansprüche an die Produktionsumgebung. Die partikel- und keimfreie Produktion wird auch außerhalb der Medizintechnik immer wichtiger. Die Fertigungsverfahren und Prozesstechnologien werden komplexer, dies erfordert ganzheitliches Denken und entsprechendes Know-how. Zudem zwingen die sich verkürzenden Entwicklungszeiten zu Entwicklungspartnerschaften.


Frage: Neben diesen technologischen Herausforderungen sind die Kunststoffverarbeiter einem immer schärferen Kostendruck ausgesetzt?

Bürkle: Das stimmt. Wenn man sich die Kostenstrukturen genauer ansieht, liegt vor allem in der Materialeinsparung ein großes Potential. Die Materialkosten betragen bei technischen Teilen immerhin 50% der Herstellungskosten. Bei Konsumwaren liegt der Anteil bei bis zu 80%.

Hunold: Vor allem in den Hochlohnländern können die Verarbeiter nur dann konkurrenzfähig bleiben, wenn sie sich Know-how aneignen, das den Wettbewerbern noch nicht zur Verfügung steht. Um bei dem Beispiel der Materialkosten zu bleiben: Wenn es einem Unternehmen gelingt, mit einem Sonderverfahren das Bauteilgewicht und damit den Materialverbrauch zu verringern, kann es damit seine Position am Markt stärken. Kosten reduzieren heißt nicht immer nur Personalabbau. Die Steigerung der Wertschöpfung verlangt nach differenzierten und intelligenten Antworten.


Frage: Welche Rolle spielt dabei der Maschinenhersteller?

Bürkle: Wir haben bei Krauss-Maffei sehr intensiv daran gearbeitet, innovative Prozesstechnologien zu entwickeln. Mit diesen Sonderverfahren können Kunststoffprodukte hergestellt werden, die es bisher in dieser Form in der Spritzgießtechnik überhaupt noch nicht gab. Wir haben diese Verfahren mit Erfolg in die Praxis umgesetzt und wollen sie jetzt noch umfassender zur Anwendung bringen. Dabei konzentrieren wir uns vor allem auf die Automobilindustrie, die Verpackungsbranche und die Medizintechnik. Voraussetzung ist jedoch, dass die Verarbeiter die Chancen, die ihnen diese Verfahren bieten, erkennen und konsequent nutzen.


Frage: Welche Verfahren sind das im Einzelnen? Wo liegen die Chancen für den Verarbeiter?

Bürkle: Ein gutes Beispiel ist der Injection Moulding Compounder. Hier kann der Verarbeiter neben der Formgebung auch die Materialeigenschaften gezielt beeinflussen. Diese Kombination gibt ihm die Möglichkeit, in Anwendungen vorzustoßen, die er vorher nicht bedienen konnte. Und weil er die Wertschöpfung des Compoundierens im Hause hat, entstehen ihm zusätzlich noch Kostenvorteile und eine hohe Flexibilität.

Hunold: Neue Produkte sind auch bei der Wasserinjektion ein wichtiger Aspekt. Das Verfahren erschließt der Spritzgießtechnik völlig neue Anwendungsgebiete wie Türgriffe oder Medienleitungen mit glatten Innenflächen. Erst durch die Wärmeleitfähigkeit des Wassers können solche dickwandigen Teile in relativ kurzen Zykluszeiten reproduzierbar spritzgegossen werden.


Frage: Können Präge- und Schäumverfahren ebenfalls neue Produktbereiche erschließen?

Hunold: Auf jeden Fall. Bei der Automobilverscheibung erreichen wir erst durch das Prägen die erforderliche Oberflächenqualität. Aber es gibt noch weitere Vorteile: Einerseits werden hier die Werkzeuginnendrücke und damit die Schließkräfte reduziert, andererseits können auch die Bauteilwände dünner gestalten werden. Spezielle Prägetechniken ermöglichen zudem die formgetreue Abformung von Feinstrukturen im Nanometerbereich z.B. für Testplattformen in der Mikrobiologie oder DNA-Analytik, aber auch für die Entspiegelung von technischen Produkten.

Bürkle: Beim Schäumen, egal ob physikalisch oder chemisch, kann der Verarbeiter unterschiedliche Strategien verfolgen. Durch das Schäumen kann zum Beispiel die Fließfähigkeit der Schmelze erheblich verbessert werden. Außerdem wird die Maßhaltigkeit erhöht, weil der Schauminnendruck die Schmelze an die Werkzeugwand drückt. Diese beiden Effekte führen zu neuen konstruktiven Freiheiten. Die Reduktion der Werkstoffdichte kann dabei sogar von untergeordneter Bedeutung sein.


Frage: Welche Innovationen bietet Krauss-Maffei in der Mehrkomponententechnik?

Bürkle: Wir entwickeln die Mehrkomponententechnik mit unseren Partnern kontinuierlich weiter. Mit der Inline-Plasmavorbehandlung kann beispielsweise die Verbundhaftung der Komponenten erhöht werden. So lassen sich auch Materialien miteinander verbinden, die bisher nicht kompatibel waren. Ein weiteres Beispiel ist das Klarlackgießen (Clear-Coat-Moulding), mit dem sehr hochwertige Oberflächen aus PUR erzeugt werden können. Dazu steht an der 2K-Spritzgießmaschine ein PUR-Dosiersystem. Die thermoplastische Komponente wird im zweiten Schritt mit PUR überflutet. Solche "Mehrschritt-Prozesse" können sehr elegant mit neuentwickelten Wendeplatten-Schließkonzepten realisiert werden.


Frage: Sie erwähnten eingangs die steigenden Anforderungen bei der Reinraum- und Automatisierungstechnik. Welche Lösungen entwickelt Krauss-Maffei auf diesen Gebieten?

Hunold: Bei der Reinraumtechnik hat das Zweiplattenprinzip der Maschinen von Krauss-Maffei den entscheidenden Vorteil, dass die Schließeinheit nur sehr wenig bewegte Teile hat und Verunreinigungen durch Abrieb und andere Effekte auf ein Minimum reduziert werden. In Kooperation mit kompetenten Partnern sind wir in der Lage, auf diesem Gebiet maßgeschneiderte Lösungen anzubieten. Das Spektrum reicht hier vom so genannten Technischen Reinraum bis zur Reinraumklasse A nach GMP (keimfreie Produktion), die allerhöchste Anforderungen an das Layout der Produktion und die Ausstattung der Maschine stellt.

Bürkle: Um komplexe Automatisierungsaufgaben lösen zu können, haben wir mit Neureder einen kompetenten Hersteller von Handlinggeräten in unser Unternehmen integriert. Damit positioniert sich Krauss-Maffei als Systempartner, der Spritzgießmaschinen und Roboter aus einer Hand anbieten kann. Solche Synergien spielen bei der Verfahrensentwicklung oft eine sehr wichtige Rolle: Technologien wie der Injection Moulding Compounder oder das 2K-Spritzgießen mit PUR sind nur deshalb möglich, weil Krauss-Maffei über fundiertes Know-how in den drei Gebieten Spritzgießen, Extrusion und Reaktionsmaschinen verfügt.




Dr.-Ing. Dietrich Hunold, Leiter des Produktmanagements Spritzgießmaschinen bei Krauss-Maffei: "Vor allem in den Hochlohnländern können die Verarbeiter nur mit Know-how konkurrenzfähig bleiben, das den Wettbewerbern noch nicht zur Verfügung steht."



Dr.-Ing. Erwin Bürkle, Leiter der Vorentwicklung Neue Technologien/Prozesstechnik im Bereich Spritzgießen bei Krauss-Maffei: "Wenn man sich die Kostenstrukturen genauer ansieht, liegt vor allem in der Materialeinsparung ein großes Potential."


Kontakt:
Krauss-Maffei Kunststofftechnik GmbH
Krauss-Maffei-Straße 2
D-80997 München
Tel.: +49 / 89 / 88 99-0
Fax: +49 / 89 / 88 99-3092
info@krauss-maffei.de

 




K 2016

© kunststoffFORUM 1998 - 2025